Sanfte HandgriffeWann Osteopathie Ihrem Baby hilft
Nach dem Kaiserschnitt, bei Stillproblemen und Unruhe lassen Eltern ihre Babys behandeln. Doch wann macht die Osteopathie Sinn und was kann sie bewirken? Das beantwortet die Zürcher Expertin Fabienne Faietti.
Osteopathische Behandlungen eignen sich nicht nur für Erwachsene und Kinder, sondern auch schon für Babys. Sie zu untersuchen, ist natürlich nicht ganz einfach. Denn ihre Beschwerden können die Säuglinge noch nicht äussern und bei der Therapie halten sie meist auch nicht still. Aber es findet sich immer ein Weg. Behandelt werden die Babys hellwach oder schlafend auf dem Arm der Eltern oder auf einer Liege, eingekuschelt in ein grosses Stillkissen.
Was ist Osteopathie?
Osteopathie ist eine manuelle Heilmethode, die vom amerikanischen Arzt Andrew Taylor Still entwickelt wurde. In der Osteopathie wird der Körper als zusammenhängende Einheit betrachtet: Bewegungsapparat, innere Orange und das Schädelsystem funktionieren in Eintracht. Eine Fehlfunktion des einen Systems, kann Beschwerden in den anderen Bereichen auslösen. Mithilfe der Osteopathie soll der Körper seine Selbstheilungskräfte aktivieren.
Fabienne Faietti hat sich in ihrer Praxis auch auf Behandlungen von Säuglingen spezialisiert. «Gerade bei Kindern zeigt sich die Osteopathie mit ihrem ausserordentlich sanftem Ansatz als eine gute Möglichkeit, vielfältige Probleme zu behandeln», sagt sie. Die Methode diene dem Kind als Hilfe, mit den eigenen Fähigkeiten sein Gleichgewicht wieder zu finden, und als Prophylaxe.
Was sind die häufigsten Probleme?
«Vor allem typische Funktionsstörungen wie 3-Monats-Koliken, Still- und Schlafprobleme, regelmässiges Erbrechen, Reflux und chronische Mittelohrentzündungen führen Eltern zu mir», erzählt Faietti. Aber auch bei Atemwegserkrankungen, lange Schreiattacken oder mechanischen Störungen wie Schädel- und Gesichtsasymmetrie, die auf eine lange und schwierige Geburt zurückzuführen seien, helfe die Therapie. «Bei der medizinischen Behandlung einer unreifen Hüfte eines Babys mit einer Spreizhose, wird die Osteopathie oft als begleitende Methode angewandt», ergänzt sie.
Wie viele Behandlungen sind für ein Baby nötig?
«Bei mir sind es im Durschnitt drei bis fünf Behandlungen», sagt Faietti. Eine dauert rund 60 Minuten. Das hänge jedoch individuell von der Problematik ab. Die Behandlung beginnt mit einem ausführlichen Gespräch über den Grund der Konsultation und die Symptome, bei dem auch Bedenken und Fragen besprochen werden.
Danach folgt eine Untersuchung. Bei dieser wird ganze Körper untersucht. Ziel der Anamnese und der Untersuchung ist, ernsthafte Erkrankungen auszuschliessen. «Die Abstände der Behandlungen verlängern sich für gewöhnlich mit der Zeit.» Es gebe auch Fälle, bei denen das Kleinkind und die Familie längere Zeit von einer Osteopathin begleitet werden, erzählt die Expertin.
Hat die Geburt per Kaiserschnitt Einfluss auf die Beschwerden des Babys?
«Ein Kaiserschnitt kann Einfluss auf die Beschwerden von Babys nach der Geburt haben», sagt Faietti und bezieht sich dabei vor allem auf das Überstrecken vom Kopf in den ersten Wochen nach der Geburt.
Kaiserschnitt-Kinder werden von den Ärzten schnell aus dem Bauch herausgehoben. «Dies kann zu Kompressionen und Einschränkungen im Bereich des Beckens, der Brustwirbelsäule oder Spannungszuständen im Übergangsbereich zwischen Schädelbasis und den oberen Halswirbelgelenken führen», erklärt sie. Das wiederum könne Spannungen der Muskulatur im Nackenbereich mit sich bringen.
Doch nicht nur Verspannungen, sondern auch Koliken kann der Kaiserschnitt laut der Expertin nach sich ziehen. Da hier ein wichtiger Nerv entlang laufe, der die Bauchorgane versorgt, könne die Ursache von Koliken beispielsweise seinen Ursprung am Bewegungsapparat haben. «Zudem hat die Darmflora eine andere Zusammensetzung nach einem Kaiserschnitt, da das Kind nicht mit den Darmbakterien der Mutter in Berührung kommt, wie es auf natürlichem Weg der Fall ist. Das wiederum kann Drei-Monats-Koliken begünstigen», erklärt sie.
Gibt es andere Geburtsformen, die Probleme verursachen?
«Es kann sein, muss aber nicht. Geburten mit Einsatz von Geburtszange oder Saugglocke, zu schnelle oder lang andauernde Geburten, können dazu beitragen», so Faietti.
Es wird bemängelt, dass die Osteopathie auf mangelnden wissenschaftlichen Beweisen fundiert...
«Das liegt daran, dass Osteopathie eine empirische Behandlungsmethode ist und eine objektive Überprüfbarkeit oft schwierig ist», betont Faietti. An der Uni Fribourg gebe es mittlerweile einen Bachelorstudiengang der Osteopathie. «Das wird in Zukunft sicherlich dafür sorgen, dass es mehr wissenschaftliche Arbeiten zum Thema gibt», erhofft sich die Expertin.
In der Erfolgsmessung der Behandlungen gebe es laut Faietti aber einen wichtigen Unterschied zwischen Erwachsenen und Babys: «Säuglinge können sich nicht mitteilen und der Erfolg misst sich an der Einschätzung der Eltern, wie sich das Baby seither fühlt und entwickelt hat. Besonders bei den 3-Monats-Koliken lässt es sich schwer überprüfen, ob die Osteopathie als alleiniger Faktor zur Heilung beigetragen hat.»
Wie unterscheidet sich die Osteopathie von der Physiotherapie?
«Die Physiotherapie beschäftigt sich hauptsächlich mit dem Bewegungsapparat», erläutert Faietti. «Die Osteopathie befasst sich hingegen ganzheitlich mit dem Bewegungsapparat, den inneren Organen und dem Nervensystem.»
Was kostet die Behandlung?
«Während die Physiotherapie von der Grundversicherung übernommen wird, fällt die Osteopathie unter die Zusatzversicherungen», sagt Faietti. Eine Behandlungsstunde kostet in der Schweiz rund 160 Franken. Übernommen werden zwischen 60 und 90 Prozent der Kosten, vorausgesetzt der Therapeut ist auf der Liste der Krankenkasse des Patienten, also der des Kindes, aufgeführt.