Gut gewickeltStoffwindeln: Die wichtigsten Vor- und Nachteile

Von wegen altmodisch und unpraktisch. Die modernen Stoffwindeln sind ihren Vorgängern, den klassischen Mullwindeln, weit voraus. Doch trotz vieler Vorteile haben sie auch kleine Schwächen.

Mullwindeln oder andere Stoffwindeln kaufen? 
Farbenfroh und grössenverstellbar sind die meisten modernen Stoffwindeln. © iStock, Getty Images Plus

Zu zeitaufwändig, kompliziert und zu teuer sei das Wickeln mit Stoff, so gängige Vorurteile gegen die althergebrachten Mullwindeln. Ausserdem sei es ekelig, die benutzten Windeln auszuwaschen und in Eimern mit Wasser bis zum nächsten Waschmaschinengang feucht zu halten. Viele Eltern sagen zu Recht: «Die Wegwerfwindel ist ein grosser Fortschritt».

Viele junge Mütter und Väter wissen gar nicht mehr, wie sie die Tücher der Mullwindeln genau legen müssen. Die verschiedenen Falttechniken für die grossen Mulltücher oder Strickwindeln sind anfangs kniffelig. Je nach Alter des Babys verändern sie sich zudem. Über die Mullwindel werden noch Überhosen aus Wolle oder Gummi angezogen, damit alles besser hält. So ist der kleine Popo vom Baby am Ende ein dickes Paket, das vielleicht gar nicht mehr in die heutigen Kleidungsstücke für Babys, wie die enge Jeans, passt.

«4000-6000 Windeln produziert ein Kind in seiner Windelzeit» (Geburtshaus Delphys)

Aber sind die althergebrachten Stoffwindeln so nachteilig? Schliesslich sind Generationen von Kindern mit ihnen aufgewachsen und da gab es noch gar keine Waschmaschine. Die Wegwerfwindel ist erst seit 1961 auf dem Markt.

Was für die Stoffwindeln spricht: 6 Vorteile

Stoffwindeln verschiedenen Farben.
Umweltfreundlich: Die Stoffwindeln können gewaschen und wiederverwendet werden. © kasjato/iStock, Thinkstock

1. Lange Nutzdauer

In den vergangenen Jahren hat sich das Design der Stoffwindeln stark gewandelt und sind vor allem einfacher in der Handhabung geworden. Geschnitten wie normale Höschen, werden die Windeln über Druckknöpfe oder Klett in der Grösse verstellt. Manche Modelle sind mitwachsend und passen von vier bis 16 Kilogramm.

2. Verschiedene Systeme

Bei den All-In-Ones, kurz AIO, sind wasserdichte Aussenhülle und Saugeinlage fest miteinander vernäht. Dadurch ist sie leicht zu handhaben. Manchmal gibt es auch ein extra Fach, um eine weitere Einlage hineinzuschieben. Die AIOs sind den Wegwerfwindeln am ähnlichsten.

Im Vergleich dazu gibt es mehrteilige Systeme wie die Snap-In-Ones, kurz SIO. Sie bestehen aus der wasserdichten Aussenhülle und verschiedenen Einlagen, die eingeknöpft oder nur eingelegt werden. Über die Bambus-Einlage, kann zum Beispiel noch Windelvlies gelegt werden, um das grosse Geschäft aufzufangen. Das System ist von Vorteil für alle, die nicht allzu viel waschen möchten. War nur etwas Pipi in der Einlage, wird diese gewechselt und die Aussenwindel weiterverwendet.

Stoffwindeln im Vergleich

Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten, das Baby sicher zu wickeln. Das Forum Naturwindeln gibt Auskunft über die gebräuchlichsten Systeme mit Anleitung für jede Windelart.

  • Faltsystem mit Mullwindeln: Das Wickeln will gelernt sein, je mach Alter eine andere Technik. 
  • Bindewindeln und Strickwindeln: Hoher Aufwand zum Anlegen und Waschen durch die Bänder
  • Überhose, die mit Klettverschluss oder Druckknöpfen verschlossen wird. Einlagen und Windelvlies werden eingeschoben, eingeknöpft oder in eine weitere Innenhose gelegt. Zu ihnen zählen auch All-in-One, SIP sowie Pocket-Windeln.

Eine weitere Alternative sind die Pockets. Bei ihnen werden die Einlagen nicht eingeknöpft, sondern in eine Tasche geschoben. Dadurch können sie nicht verrutschen und es können verschiedene Arten von Einlagen verwendet werden. Deshalb ist die Technik besonders geeignet für Stoffwindel-Neulinge, das Kitapersonal oder den Babysitter.

3. Kostenfaktor

Überhosen und viele Einlagen können drei bis vier Jahre verwendet werden. Werden die Anschaffungskosten auf diese Zeit berechnet, relativiert sich der hohe Preis für die Anschaffung wieder. Stoffwindeln sind sogar günstiger als die Einweg-Konkurrenz. Und: Je grösser das Pack, umso günstiger der Preis.

4. Umweltschutz

Das Umweltbewusstsein wächst. Die riesigen Müllberge, verursacht durch Einwegwindeln, sind eines von vielen Argumenten, wieder mit Textilien zu wickeln. «Leiste einen Beitrag für die Umwelt, spare Geld und wickel den Babypo Deines Kindes künftig in Baumwolle anstatt in Plastik! 1,5 Tonnen Windelmüll oder 4000 bis 6000 Windeln produziert ein Kind in seiner Windelzeit», heisst es auf der Webseite des Geburtshauses Delphys in Zürich.

5. Sensible Haut

Besonders die Haut des Kindes ist für weiche Materialien wie Baumwolle dankbar. Wegwerfwindeln sind in der Regel mit Kunststoff überzogen, aus dem sich bei Kontakt mit Urin Chemikalien lösen. Schnell folgen dadurch ein wunder Po und Hautreizungen an den Beinbündchen. Natürliche Materialen wie Baumwoll-, Hanf-, Bambus- oder Mullwindeln enthalten keine Kunststoffe und sind oft aus biologischen Rohstoffen hergestellt.

6. Gesunde Haltung

Ein weiterer Grund für das Wickeln mit Höschenwindeln: Kinder werden häufig mit einer unreifen Hüfte geboren, die Gelenke müssen sich erst noch entwickeln. «Wird mit Stoff gewickelt, kann die durch die Wickeltechnik bedingte Beinstellung die Hüftreifung begünstigen», sagt die Hebamme Beatrice Prader.

Hebammen unterstützen es, wenn Eltern Stoffwindeln kaufen oder mit Mullwindeln aus der eigenen Kindheit wickeln wollen. In der Beratung geht es darum, welche Materialien und Windelsysteme geeignet sind und wie die verschiedenen Wickeltechniken funktionieren.

Die Nachteile der Stoffwindeln

Benutzte Windeln riechen, und das ist auch so bei Mullwindeln und Höschenwindeln. Die Stoffwindeln lassen sich in der Waschmaschine bei 60 Grad Celsius hygienisch reinigen. Beim Waschmittel gibt es spezielle umweltfreundliche Produkte, die auch auf die empfindliche Babyhaut Rücksicht nehmen. Aber bloss keinen Weichspüler verwenden! Der macht die Höschen undicht.

Molton oder Mull?

Sie sind beide aus Baumwolle und doch sehr unterschiedlich. Molton ist dichter gewebt, hat mehr Saugkraft, ist weicher und flauschiger als Mull. Für die Nacht werden auch häufig Booster verwendet. Das sind sehr saugstarke Einlagen aus Viskose und Baumwolle.

Wer die Stoff-Alternative wählt, muss mit zwei bis drei zusätzlichen Waschgängen jede Woche rechnen. Für den fairen Vergleich müssen diese natürlich auch in die Umweltbilanz dieser Windelvariante eingerechnet werden. Dazu müssen die Windeln getrocknet und gefaltet werden.

Gewickelt wird meist alle zwei bis drei Stunden. Relativ häufig, damit das Baby immer trocken ist. Die Industrie-Windeln sind deshalb im Vergleich praktischer für den Familienalltag, in dem es immer viel zu viel zu tun gibt.

Trägt das Baby die Windeln auch in der Krippe oder bei der Tagesmutter kommt noch ein weiterer Nachteil hinzu: Während die Wegwerfwindeln schnell auf Nimmerwiedersehen im Kehrricht verschwinden, werden die Baumwollvarianten in Plastiktüten gesammelt und abends mit dem Baby zusammen abgeholt und nach Hause gefahren, das kann sehr unschön riechen.

Eltern, denen es wichtig ist, dass die Windeln keine Schadstoffe beinhalten, sollten auch bei Stoffwindeln genau hinschauen. Auch bei diesen ist eine ökologische Herstellung nicht vorausgesetzt, es kommt auf die Firma und die verwendeten Rohstoffe an. 

Der alltagstaugliche Kompromiss

Viele Eltern auf der Suche nach der perfekten Wickeltechnik kombinieren später beide Techniken. Zu Hause, bei der Familie und bei Freunden wickeln sie mit Stoff, auf Reisen wie im Flugzeug oder in der Stadt verwenden sie die Wegwerfwindeln. Auch wenn die Kinder beginnen, sich selbst aufs Häferli zu setzen, sind Einweg-Pants von Vorteil. Diese können sie sich selbst wie Unterhosen runter- und nachher wieder hochziehen.

Publiziert von der Redaktion

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