Auf FehlersucheVorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft
Obwohl die Schwangerschaft keine Krankheit ist, nimmt das Angebot an Vorsorgeuntersuchungen zu. Sie sollen Gewissheit zur Gesundheit des Kindes liefern. Doch im Test schnitten nicht alle Vorsorge-Checks gut ab.
Geht es meinem Kind gut? Das ist die wichtigste Frage, die sich Schwangere stellen. Die Unsicherheit in der Schwangerschaft ist gross und das Geschäft darum wächst. Immer neue Vorsorgeuntersuchungen werden Schwangeren angeboten, um sich über die gute Gesundheit ihres Kindes im Klaren zu sein. Schon ab der neunten Woche erlaubten Tests mögliche Trisomien und das Geschlecht des Babys zu erkennen.
Was ist die Konsequenz dieser frühen Suche nach Anomalien? Nicht selten stehen die Eltern vor der Frage, ob sie die Schwangerschaft abbrechen oder nicht. In Deutschland entscheidet sich nur eine von zehn Frauen mit der fast sicheren Diagnose Downsyndrom dafür, das Kind zu bekommen. In der Schweiz liegen dazu keine Zahlen vor. Im internationalen Vergleich ist hierzulande die Abtreibungsrate jedoch sehr niedrig, 2017 trieben laut Bundesamt für Statistik 9863 Schweizerinnen ihr Kind ab. Die Gründe sind nicht bekannt.
Entscheidungshilfe
Je mehr Frauen über die Krankheit ihres Babys wissen, umso mehr werden sie mir der Frage konfrontiert, ob sie es trotzdem austragen möchten. Unabhängige Beratung bei dieser schwierigen Entscheidung bietet der Verein appella in Zürich.
Aber würden mehr Frauen abtreiben, je früher und besser sie über gesundheitliche Probleme der Föten informiert wären? Kündigt sich durch die Zunahme der Vorsorgeuntersuchungen eine Selektion des Nachwuchses ab? Wo liegen die Grenzen der Pränataldiagnostik und wie gehen Eltern überhaupt mit einer unerfreulichen Diagnose um? Dies sollte unbedingt im Vorfeld mit dem Partner diskutiert werden.
Was oft übersehen wird: Es gibt ein Recht auf Nichtwissen. Pränatale Untersuchungen sind nicht verpflichtend. Und oft auch nicht nötig, betont der Verein appella, da die meisten Kinder gesund auf die Welt kämen. Das Magazin Öko-Test hat die verschiedenen Vorsorge-Checks nach Zuverlässigkeit und Risiken beurteilt.
Vorsorgeuntersuchungen im ersten Schwangerschaftsdrittel
Bin ich wirklich schwanger? Diese Frage klärt der erste Termin beim Frauenarzt in den ersten Monaten. Ist ein Baby auf dem Weg, folgt zum Ende des ersten Trimesters ein längerer Termin zur Vorsorge.
Dabei macht sich der Arzt ein genaues Bild von der Schwangeren, klärt die Vorgeschichte, etwaige frühere Schwangerschaften, Ernährung, Lebensführung, Krankheiten und Medikamente ab. Zusätzlich werden Gewicht und Blutdruck untersucht, ein Krebsabstrich gemacht, Urin- und Blutproben genommen.
Ist die Schwangere 35 Jahre oder älter zählt sie in der Schweiz zu den Risikoschwangeren. Ihnen werden von den Ärzten die vorgeburtlichen Untersuchungen empfohlen. Dabei ist in der Schweiz das «Risiko» der Normalfall, da die Frauen immer älter bei der Geburt ihres ersten Kindes sind. Die Pränataldiagnostik dient aber nicht nur zur Absicherung der Eltern, sondern auch der Ärzte selbst, um spätere Klagen der Eltern gegen sie zu verhindern.
Bluttest
Ab der neunten Woche gibt der Bluttest Auskunft über das Geschlecht des Kindes und häufige Chromosomendeffekte wie Trisomie 21 (Downsyndrom) und seltenere wie die Trisomien 18 und 13. Einige Tests spüren auch das Klinefelter- und das Turner-Syndrom auf, trotzdem sind manche Gendeffekte mit dem Test nicht erkennbar. Bei Verdacht können später invasive Verfahren wie die Fruchtwasserpunktion Genaueres feststellen.
Zuverlässigkeit: Genau, aber es gibt falsch-positiven Ergebnisse und seltene Formen der Trisomie werden nicht erkannt, so Öko-Test. Zur abschliessenden Diagnose ist Fruchtwasserpunktion nötig. Da diese erst ab der 15 Woche möglich ist, werden sich Schwangere mit einer schlechten Diagnose eventuell zur frühen Abtreibung entscheiden. In der Schweiz ist diese bis zur zwölften Woche die alleinige Entscheidung der Frau. Danach kann sie nur noch aufgrund ärztlicher Indikation durchgeführt werden.
Risiken: Dieser nicht invasive pränatale Test (NIPT) ist risikofrei
Ersttrimesterscreening
Zwischen der 11. und 14. Schwangerschaftswoche wird das Ersttrimesterscreening, eine Kombination aus Blut- und Ultraschalluntersuchung, gemacht. Die Nackentransparenz des Embryos im Ultraschall und Hormone sowie ein Eiweiss im Blut geben Auskunft darüber, wie hoch das Risiko der Frau ist, ein Kind mit Trisomie 21 zu bekommen. Neun von zehn Kinder mit Downsyndrom werden mit dieser risikolosen Methode erkannt.
Zuverlässigkeit: Risikoabschätzung. Die Falsch-Positivrate liegt bei 5 Prozent, dabei werden gesunde Kinder als krank erkannt.
Risiken: keine
Chorionzottenbiopsie
Diese Methode wird angewandet, wenn es eine familiäre Veranlagung für bestimmte Krankheiten gibt oder Ultraschall und Ersttrimesterscreening einen auffälligen Befund zeigten.
Vorsorgeuntersuchungen im Test
Das Magazin Öko-Test hat die verschiedenen Untersuchungen in einem Spezial zur Pränataldiagnostik unter die Lupe genommen.
Schon ab der neunten, um Fehlgeburten zu vermeiden, aber besser ab der elften Woche werden Eizellen über die Scheide oder die Bauchdecke aus dem Muttermund entnommen. Nach wenigen Tagen liegen die Ergebnisse zu Chromosomenstörungen wie Trisomie 21, zystische Fibrose oder Bluterkrankungen vor. Aber die Chorionzottenbiopsie findet nicht alle Krankheiten. Neuralrohrdefekte, Herzfehler und Lippen-Kiefer-Gaumenspalte werden nicht festgestellt.
Zuverlässigkeit: Ein Prozent der Ergebnisse sind falsch.
Risiken: Das Risiko einer Fehlgeburt ist um 0,2 bis 2 Prozent leicht erhöht, Schmerzen und Blutungen sind nach dem Eingriff möglich.
Zweites Schwangerschaftstrimester: Die wichtigsten Vorsorgetermine
Bei einer normalen Schwangerschaft ist eine Vorsorgeuntersuchung pro Monat geplant, auch im zweiten Trimester zwischen der 14. und 16. Woche. Dabei werden in der Regel Urin- und Blutproben genommen sowie die Lage und Entwicklung des Kindes verfolgt und die Herztöne gemessen.
Der zweite Ultraschalltermin beim Frauenarzt findet zwischen der 20. und 23. Schwangerschaftswoche statt. Zusätzlich haben die Schwangeren die Wahl zwischen weiteren pränatalen Tests.
Fruchtwasseruntersuchung
Zwischen der 15. und 18. Schwangerschaftswoche ist die Analyse des Fruchtwassers möglich. Bei diesem Eingriff wird eine Nadel durch die Bauchdecke in die Gebärmutter eingeführt. Die Analyse dauert rund zwei Wochen. Die Ergebnisse der Fruchtwasserpunktion sind sehr zuverlässig. Die Analyse zeigt Erbkrankheiten, Fehler im Nervensystem, genetische Abweichungen wie Down Syndrom, offener Rücken, Wasserkopf oder Stoffwechselkrankheiten.
Zuverlässigkeit: Sehr zuverlässig, Fehler sind sehr selten.
Risiken: Doch der Test ist nicht ohne Risiken. Jede 200. Frau verliert ihr Kind wegen vorzeitigen Wehen, Blutungen und Verlust von Fruchtwasser nach der Untersuchung.
Nabelschnurpunktion
Die Cordozentese findet erst nach der 18. Schwangerschaftswoche ab. Bei der Untersuchung wird eine Kanüle in die Nabelschnur eingeführt und Blut des Kindes entnommen. Dadurch können Chromosomendefekte festgestellt werden oder ob eine Bluttransfusion wegen Rhesusunverträglichkeit oder Blutarmut nötig ist.
Zuverlässigkeit: Relativ hoch, aber es kann sich Blut der Mutter unter die Probe mischen, was die Aussagekraft mindert.
Risiken: Auch hier ist das Risiko für eine Fehlgeburt hoch. Sie liegt bei bis zu drei Prozent.
Endspurt: Vorsorgeuntersuchungen von der 27. SSW bis zur Geburt
Kurz vor der Geburt gibt es mehr Vorsorgeuntersuchungen mit CTG, ungefähr alle zwei Wochen. Ist der Geburtstermin überschritten auch jede Woche, beziehungsweise alle paar Tage.
Vorsorgeuntersuchungen bei der Hebamme
Eine Alternative zu den sieben ärztlichen Kontrolluntersuchungen bieten Hebammen an. Diese Betreuung übernehmen seit Januar 2017 auch die Krankenkassen. Bei Risikoschwangeren werden auch die zusätzlichen Kosten durch die Zusammenarbeit von Arzt und Hebamme übernommen. Bei der Suche nach einer Hebamme hilft der Schweizer-Hebammen-Verband.
Welche Vorsorgeuntersuchungen die Krankenkassen übernehmen
Während der Schwangerschaft übernimmt die Grundversicherung ab der 13. Schwangerschaftswoche sieben Kontrolluntersuchungen bei einem Arzt oder einer Hebamme. Zusätzlich werden zwei Ultraschalluntersuchungen zur 11.-14. und 20.-23. SSW bei einem Arzt bezahlt. Neben den Laboranalysen sind auch genetische Untersuchungen wie der Ersttrimester-Test und der Bluttest zum Nachweis einer Trisomie 21, 18 oder 13 gedeckt.
Bei Risikoschwangerschaften ab einem Alter von 35 Jahren sind mehr Untersuchungen vorgesehen. Hier werden alle Ultraschalluntersuchungen uneingeschränkt bezahlt, auch Amniozentese oder Chorionbiopsie. Zählt die Frau nicht zur Risikogruppe kann die Behandlung auch selbst bezahlt werden. Die Kosten belaufen sich auf rund 1500 Franken.