Wie ein Schweizer Paar im Ausland ein Baby adoptierte«Ja, wir werden Adoptiveltern!»

Der Gedanke an eigene Kinder ging Anabela Fürer und ihrem Mann auch zwei Jahre später nicht aus dem Kopf. Nach vielen gescheiterten Versuchen schwanger zu werden beschlossen sie, ein Kind zu adoptieren.

Porträt Anabela Fürer Teil 2
Die Auslandsadoption führte Anabela Fürer und ihren Mann nach Äthiopien. © iStock / Getty Images Plus

Das Paar stellte beim Amt für Soziales in St. Gallen einen Adoptionsantrag. Als das Couvert mit Informationsbroschüren und Formularen ankam, habe sie die gesamte Bürokratie fast erschlagen: «Wir hatten keine Ahnung, was auf uns zukommt», sagt Fürer und schlägt ihre Hände über den Kopf.

Vier Monate hat sie das Couvert auf dem Tisch liegen lassen und das Gefühl gehabt, sie müsse Abstand nehmen. Da war der Kinderwunsch für kurze Zeit vergessen. Aber eben nur kurz. «Mein Mann und ich haben uns in Ruhe hingesetzt und gemeint, wir wollen ein Kind, dass nicht bei seiner Ursprungsfamilie leben kann.»

Ablauf einer Auslandsadoption

Beim Sozialamt mussten sie mehrmals zu einem Interview erscheinen. Einmal hatte man sie als Paar und einmal getrennt befragt. Es wurden Fragen gestellt wie beispielsweise: Wie sind Sie erzogen worden? Waren Sie schon Mal wütend auf ihre Mutter? Hatten Sie schon Mal ein Alkoholproblem?

«Ich hatte Angst, wenn ich etwas Falsches sage, dann ist der Bericht negativ und wir bekommen kein Kind.» Die Gespräche, in denen die Fürers geprüft wurden, ob sie als Adoptiveltern geeignet sind oder nicht, wurden protokolliert und zusammengefasst. Der Bericht war schlussendlich positiv: Wir empfehlen Herr und Frau Fürer als Adoptiveltern. «Ja! Wir waren einen Schritt weiter!» sagt Fürer mit grossen, strahlenden Augen.

Eine Adoption kostet mit Vermittlungsgebühren, Beglaubigungen, Arzttermine, Reisepass, Einreisebewilligung und weiteren Formularen zwischen 20.000 bis 25.000 Franken.

Das Paar entschied sich für ein Kind aus Äthiopien. Zur Eignungsabklärung mussten sie sich bei der schweizerischen Adoptionsstelle des Herkunftslandes anmelden und wieder Interviewfragen beantworten. Auch diese Gespräche wurden aufgezeichnet und zusammengetragen.

Das daraus entstandene Dossier wurde ins Adoptionsbüro in Äthiopien geschickt. Dort kam das Dossier auf einen Stapel anderer Anträge. Die Dossiers, die zuerst ankommen, werden auch als erstes berücksichtig. Nun hiess es abwarten. Die ausländische Stelle sucht das Kind aus, das ihrer Meinung nach am besten zu den zukünftigen Eltern passt.

Das Paar erhält dann einen Kindervorschlag Informationen über das Kind wie Alter und Gesundheitszustand. Der Vorschlag muss von beiden Elternteilen akzeptiert werden, dann erhält man ein Foto dazu. Wobei das Geschlecht und das Aussehen aus rechtlichen und ethischen Gründen nicht bei der Auswahl relevant ist. Bis ein Vorschlag steht, kann es bis zu zwei Jahre dauern.

Die lang ersehnte Nachricht

Das Paar wartete aber nur ein halbes Jahr. Anabelas Mann rief sie bei der Arbeit an und teilte ihr mit, dass Sie ein Mädchen bekommen. Sie heisst Naomi. «Ich bin wie angewurzelt dagestanden und realisierte, ich werde Mami», sagt Anabela. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Mitarbeiter und Freunde haben mich umarmt und gratuliert.

Ich werde Mami.

Zwei Wochen später rief die Chefin der Adoptionsstelle an. Wir müssen jetzt nach Äthiopien. «Wir wollten ja schnell ein Kind, aber ich habe nicht mal ein Babyzimmer eingerichtet», erzählt Anabela. Kurz vor der Abreise haben Freunde ihr ein grosses Geschenk gemacht. Vor der Haustüre standen Babykleider, Spielsachen, ein Kindertraktor, eine Schaukel, ein Wickeltisch. «Ich musste zuerst den Weg freimachen, um durch die Haustüre zu kommen.» Ihre Augen füllen sich mit Tränen, während sie erzählt.

Das Kind in die Arme schliessen

Am 2. Juni 2012 war es soweit. Das Paar flog nach Äthiopen, um Naomi abzuholen.

Als Sie ankamen, mussten Sie sich noch einen Tag gedulden, bis sie ins Kinderheim durften. Am nächsten Morgen machten sie sich auf den Weg. Das Kinderheim lässt künftige Eltern traditionellerweise ein Spiel spielen. Anabela und ihr Mann mussten nämlich nach dem Kind suchen. Denn es heisst, dass das Gefühl sie schon zum richtigen Kind leiten würde.

Ich wusste, ich habe meine Tochter gefunden.

Anabela schaute in ein Kinderbett nach dem anderen, bis sie im Bettchen an der Wand ein Kind sah: «Ich wusste, ich habe meine Tochter gefunden.» Tatsächlich lag da Naomi. Anabela nahm sie in ihre Arme: «Es ist das Höchste der Gefühle. Sie hat mich angeschaut, angelächelt und den Kopf an meine Brust gelegt.» Da wusste das Paar, dass es die richtige Entscheidung war.

Naomi war zuvor zur anonymen Adoption freigegeben worden. In Äthiopien existieren keine üblichen Baby-Klappen wie in der Schweiz. Und einen offiziellen Weg ein Baby zur Adoption freizugeben, ist für die viele Äthiopier keine Option, da Sie sich das nicht leisten können. Auch das nötige Wissen dazu fehlt. Daher legen Eltern die Kinder, welche sie nicht selber gross ziehen können, anonym vor die Kirche oder vor das Gemeindehaus, von wo sie dann ins Heim gebracht werden.

Nach zwei Wochen in Äthiopien nahmen das Paar die kleine Naomi mit nach Hause in die Schweiz. Das vier Monate alte Baby hat die Reise in die Schweiz friedlich verschlafen. Mit 32 Jahren, fünf Jahre nachdem der Kinderwunsch aufkam, war Anabela nun endlich Mami.

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