Tief ein- und ausatmenWie Hypnobirthing die Geburt sanfter macht

Mit Hypnobirthing schmerzfrei und entspannt gebären – geht das wirklich? Wir haben mit Nadine Ballmer, Hypnosetherapeutin und Gründerin von HypnoBirthing Schweiz, gesprochen.

Hypnobirthing - ein Weg zur Wohlfühlgeburt?
Die richtige Atmung spielt beim Hypnobirthing eine wichtige Rolle. © Unsplash

Tief ein- und ausatmen! Hypnobirthing wird immer beliebter. Herzogin Kate machte es vor: Strahlend und entspannt zeigte Sie sich kurz nach ihren drei Geburten mit Baby im Arm den Pressefotografen. Wie schaffte sie das nur? Eine Antwort könnte sein: Das Geheimnis liegt in der Geburtshypnose. Denn auch Kate hat diese Methode erlernt. 

Was ist Hypnobirthing?

Entgegen der landläufigen Meinung hat Hypnobirthing nichts mit Schlafhypnose zu tun, oder dass Menschen scheinbar zu lenkbaren Automaten werden. «Das ist ein Mythos. Vielmehr geht es um die mentale Geburtsvorbereitung», sagt Nadine Ballmer, Gründerin von Hypnobirthing Schweiz. Die Methode sei für Frauen hilfreich, die Angst vor der Geburt, oder schwere Komplikationen bei der vorherigen erlitten hätten.

«Werdende Mütter lernen bei der Geburtshypnose Techniken, um das sogenannte Angst-Spannung-Schmerz Syndrom zu unterbrechen», erklärt die Expertin. «Indem sich die Schwangere positiv auf die Geburt einstellt und Entspannungstechniken einübt, erfährt sie weniger Angst und Stress, was zu geringeren Schmerzen führen kann.» Hypnobirthing soll auch dafür sorgen, dass das Schmerzempfinden bei der Geburt durch Selbsthypnose gesteuert werden kann. 

Während der Selbsthypnose ist die Frau immer noch ansprechbar und kann sich auch bewegen. Ballmer vergleicht das Gefühl gerne mit dem «Runner's High»: Der Marathon-Läufer befindet sich in einer Art Trance, ist aber gleichzeitig ansprechbar und aktiv. Auch bei langen Autofahrten erfahren Menschen dieses Gefühl. «Man fährt konzentriert, verliert aber das Zeitgefühl. Und plötzlich ist man schon da», sagt Ballmer und lacht. 

Woher kommt die Methode?

Das Programm wurde 1992 von der Amerikanerin Marie F. Mongan in ihrem Buch «HypnoBirthing» entwickelt. Die Aussagen von Mongan, dass die Geburt eigentlich ein schmerzfreier Prozess sei, den nur Angst und Verspannung schmerzhaft werden lassen, teilen viele Menschen nicht. 

Auch Nadine Ballmer distanziert sich davon und sagt: «Wir reden bei uns nicht von der schmerzfreien Geburt, sondern von Schmerz-Management». Mithilfe von Atemübungen sowie gezielter Anleitung liessen sich Körper und Psyche so konditionieren, dass die Schwangere sich selbst auf Abruf in einen hypnotischen Zustand – die Tiefenentspannung – transportieren kann. Durch die Selbsthypnose öffnet sich im Optimalfall der Muttermund schneller, was die erste Phase der Geburt um mehrere Stunden verkürzen kann. Es bestehe sogar oft kein Bedarf an Schmerzmitteln. 

Dieses Phänomen ist wissenschaftlich bestätigt: Eine Studie der Uni Tübingen und des Westfälischen Instituts für Hypnose und Hypnosetherapie zeigte, dass erstgebärende Frauen, die sich mit Hypnobirthing vorbereitet hatten, eine im Durchschnitt zwei Stunden kürzere Geburt erlebten, als eine Vergleichsgruppe. Drüber hinaus gaben 80 Prozent der Kontrollgruppe an, fürchterliche Schmerzen gehabt zu haben. Bei der Hypnose-Gruppe waren es immerhin nur 50 Prozent. 

Das Interesse in der Schweiz an Hypnobirthing wächst stetig. Vor neun Jahren, als Ballmer ihren ersten Hypnobirthing-Kurs anbot, galt sie als völlige Exotin. Die Akzeptanz für neue Methoden sei heute viel höher. Einerseits durch die Präsenz in der Presse und Mund-zu-Mund-Propaganda. Andererseits ist die Geburtshypnose auch in Schweizer Spitälern angekommen, wenn auch mit verschiedenen Schwerpunkten. «In meinen Weiterbildungskursen sind zum Beispiel oft Hebammen», erzählt Ballmer. 

Wie funktioniert Hypnobirthing?

Um Hypnobirthing anzuwenden, sei das Erlernen der Technik, aber auch Wissen über die Geburt selbst wichtig. «Frauen erfahren, wie der Körper und die Gebärmutter bei Kontraktionen funktioniert», sagt Ballmer. Das gibt Schwangeren Vertrauen in den natürlichen Vorgang und bereitet sie auf mögliche Geburtsszenarien vor. «Durch die Gewissheit, dass sie mit dem Anwenden der Technik etwas tun können, passiert schon ganz viel im Kopf», stellt die Hypnosetherapeutin fest.

Im Kurs üben Schwangere dann Atem- und Visualisierungstechniken, möglichst mit dem Partner zusammen. Zwar muss der werdende Vater nicht zwingend dabei sein. Nadine Ballmer betont dennoch, dass es definitiv von Vorteil sei, wenn der Partner die Übungen anleite. Die Hypnosetherapeutin vergleicht es mit einer Bergtour: «Wer einen Bergführer dabeihat, kann sich nur auf die Leistung des eigenen Körpers konzentrieren». Das sei bei der Geburt ähnlich. Indem der Mann aktiv in den Geburtsprozess mit einbezogen werde, fühle er sich zudem nicht so verloren, erklärt Ballmer. Wichtig sei jedoch, eine Co-Abhängigkeit zu vermeiden. Die Schwangere müsse sich auch alleine zur Umsetzung in der Lage fühlen.

Die vier Basistechniken sind: 
    1.    Atmung 
    2.    Visualisierung von schönen Orten 
    3.    Entspannung der Muskulatur durch die Entspannung des Geistes 
    4.    Vertiefung 

In den Kursen lernen die Teilnehmer in Gedanken zu ihren Wohlfühlorten zu reisen. Zudem werden Begriffe umbenannt, damit sie keine Ängste hervorrufen. Eine Wehe wird als eine «Welle» assoziiert, das Kind wird nicht gepresst, sondern «hinausgeschoben». Eine Geburt ist «wunderbar» wird oftmals wiederholt. Das Mantra lautet: «Ich bin für alles bereit, was auf mich zukommt». 

Bei Hypnobirthing gilt: Übung macht den Meister. Es reiche nicht, nur den Kurs zu besuchen. «Um wirklich 90 bis 95 Prozent aus der Technik rauszuholen, muss jeden Tag bis zur Geburt geübt werden», sagt Ballmer. Der schöne Nebeneffekt: Schon während der Schwangerschaft sind die Frauen viel entspannter. Das wirke sich nach der Meinung der Hypnosetherapeutin positiv auf das Wohlbefinden des Babys aus. Ihr wurde von Hebammen berichtet, dass Hypnobirthing Kinder oft ruhiger und ausgeglichener sind. Nadine Ballmer denkt, dass dies mit dem sanfteren Start ins Leben zusammenhänge.

Gut zu wissen

Beim Schweizerischen Hebammenverband finden Sie auch Hebammen mit einer Zusatzausbildung in Hypnobirthing.

Übrigens können erlernte Methoden auch nach der Geburt angewendet werden. Denn es gibt viele Situationen, in denen man sich schnell und gut entspannen können muss. «Mütter haben dank der Hypnobirthing-Techniken mehr Energie für sich und ihr Kind», sagt Ballmer. Und sogar die Väter seien entspannter, ist sie überzeugt. «Ein Rundum-Programm für die ganze Familie eben.»

Kurse und Kosten

Kurse gibt es in verschiedenen Ausführungen. Das All-inklusive-Angebot liegt bei 750 Franken und ersetzt die normale Geburtsvorbereitung. Der Kompakt-Kurs mit 480 Franken ist kürzer, fokussiert sich auf die Technik und benötigt mehr Eigeninitiative. Er eignet sich als Ergänzung oder Auffrischung. Ideal also für Frauen, die sich bereits selbst intensiv informiert haben oder zum zweiten Mal schwanger sind. 

Die Grundversicherung übernimmt in der Regel 150 Franken. Zusatzversicherungen übernehmen mehr, beispielswiese die CCS mit 50 Prozent aus dem Gesundheitskonto und die Sanitas Zusatzversicherung mit bis zu 80 Prozent. Wer sich lieber zu Hause auf die sanfte Geburt vorbereitet, hat zahlreiche CDs und Videos zur Auswahl.

 

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