Babyfotos auf Instagram, Youtube und Co.Diese Bildrechte haben Babys im Internet

Vor der Geburt, als Säugling und Kleinkind: Für Eltern ist es lukrativ, ihren Nachwuchs als Kidinfluencer in den sozialen Medien zu vermarkten. Doch auch Babys haben Bildrechte, warnt die Juristin Nadja Fischer.

Bildrechte von Babys im Internet
Nicht jedes Babyfoto im Netz ist so unverfänglich wie dieses. Viele verletzen die Bildrechte des Babys. © iStock / Getty Images Plus

Schon vor ihrer Geburt hatte Halston Blake Fisher auf Instagram über 115.000 Follower. Anfang März 2019 kam das Mädchen auf die Welt. Einen Monat später folgen bereits 386.000 Menschen dem Account.

Die Eltern von Halston vermarkten sich, die zweijährigen Zwillingstöchter und das Baby aktiv in den sozialen Medien. Auf Instagram haben sie rund 2,5 Millionen Follower, dem Youtube-Kanal folgen drei Millionen Menschen. Während ihre Mädchen für Fotos mit Kinderkleidung, Autositze und Spielzeug posieren, verdient die Familie gut. Der New York Times verriet die Mutter Madison Fisher, dass ein gesponserter Post auf Instagram zwischen 10.000 und 20.000 Dollar einbringe.

Was ein wirtschaftlicher Erfolg ist, hat aber auch rechtliche Schattenseiten. Denn: «Jeder Mensch verfügt über das Recht am eigenen Bild, das ihn vor der Zurschaustellung seines Abbildes schützen soll», bestätigt Nadja Fischer, Assistentin von Professor Roland Fankhauser am Lehrstuhl Zivilrecht und Zivilprozessrecht der Universität Basel und Medienwissenschaftlerin. Die physische Erscheinung sei Teil der Persönlichkeit, die rechtlich im Artikel 28 im ZGB geschützt werde.

«Auch Kinder, egal welchen Alters, verfügen somit über Persönlichkeitsrechte und damit über das Recht am eigenen Bild. Sogar ungeborene Kinder sind bereits rechtsfähig, allerdings unter dem Vorbehalt, dass sie lebendig geboren werden», betont die Juristin. «Da Kleinkinder aufgrund ihrer Urteilsunfähigkeit ihre Rechte nicht selber wahrnehmen können, brauchen dazu Vertreter.»

Richtlinien der Social-Media-Plattformen für Kinder-Accounts

Da kommen die Eltern ins Spiel. Die Betreiber der sozialen Plattformen sichern sich über diese Vertreter ab. «Einen eigenen Account bei Youtube, Instagram und Facebook kann in der Schweiz offiziell nur eröffnen, wer 13 Jahre alt ist», bestätigt Fischer. Dies sei abhängig vom Mindestalter zur Eröffnung eines Google-Kontos.

Die Eltern oder auch andere Vertreter dürfen jedoch Profile für die Kinder erstellen, wenn zum Beispiel bei Instagram in der Bio klar ist, dass das Konto von den Eltern geführt wird. «In der Regel sind also die Eltern die Nutzer und Vertragspartner der Unternehmen», sagt sie.

So macht es die Familie Fisher in den USA, der achtjährige Ryan und seine Eltern mit dem Kanal «Ryan Toys Review» und Robert Henle. Der deutsche Familienvater zeigt auf dem Youtube-Kanal «Mileys Welt» den Alltag seiner neunjährigen Tochter Miley.

Wann das Recht am eigenen Bild verletzt ist

Nicht jede Beeinträchtigung der Persönlichkeit sei, so Fischer, rechtlich relevant. Die Verletzung müsse eine gewisse Intensität aufweisen. Unbestritten verletzt sei das Recht am eigenen Bild, wenn ein Foto ohne Zustimmung der abgebildeten Person, die auf dem Foto klar erkennbar sei, veröffentlicht, also einer grösseren Anzahl von Menschen zugänglich gemacht werde, so Fischer.

«Eine solche Veröffentlichung liegt im Falle des Hochladens von Bildern auf soziale Medien zweifellos vor», sagt Fischer. Zum einen, weil häufig Porträts der Kinder gepostet werden, zum anderen wegen der Existenz von Gesichtserkennungssoftware und des unkontrollierbaren Schneeballeffekts der Publikation, selbst wenn ein Foto zum Beispiel auf Facebook zunächst nur mit wenigen Facebook-Freunden geteilt werde. «Da die Bilder beliebig vervielfältigt werden können, sind sie kaum mehr vollständig löschbar. Das lässt den Umstand, dass die Kinder nicht selber in die Veröffentlichung ihrer Bilder einwilligen konnten, umso heikler erscheinen.»

Wann eine Verletzung der Bildrechte des Babys berechtigt ist

Jedoch sei nicht jede Verletzung der Persönlichkeit widerrechtlich, konkretisiert Fischer und bezieht sich auf Artikel 28, Absatz 2 im ZGB. Im zweiten Schritt sei immer zu fragen, ob eine Verletzung womöglich berechtigt sei.

Ein Rechtfertigungsgrund wäre die Einwilligung der abgebildeten Person. So willige ein Schauspieler bei Dreharbeiten für einen Film stillschweigend in die Verbreitung seines Bildes ein. «Kleinkinder können jedoch nicht selber in die Veröffentlichung ihres Bildes einwilligen», betont Fischer. «Frühestens ab 14 Jahren dürfte ein Kind in dieser Hinsicht urteilsfähig sein und abschätzen können, was das Hochladen eines eigenen Bildes für Konsequenzen mit sich bringt.» Grundsätzlich sei deshalb eine Einwilligung durch eine Vertretung möglich. Allerdings unter zwei Voraussetzungen:

1. Die Sorgeberechtigten müssen laut Fischer das Kindeswohl und die Persönlichkeitsrechte des Kindes beachten. «Während eine Publikation eines Kindergarten-Fotos unproblematisch ist, das das Kind beim Spielen in der Gruppe zeigt, ist ein Foto vom Kind nackt in der Badewanne oder auf dem Töpfchen heikler.»

2. Die Eltern dürfen keine eigenen Interessen verfolgen. «Decken sich deren Interessen aber nicht mit denen des Kindes, liegt eine Interessenkollision vor, womit von Gesetzes wegen, die Vertretungsbefugnis der Eltern wegfällt», erläutert Fischer.

Was steht im Fokus bei Kidinfluencern: Kindeswohl oder Aufmerksamkeit für die Eltern?

Nadja Fischer geht davon aus, dass Eltern, die Fotos und Filme ihrer Kinder auf soziale Netzwerke hochladen, in der Regel Aufmerksamkeit für sich erzeugen wollen. Ob dem Kleinkind durch die Publikation Vorteile entstehen, bezweifelt sie stark. «Das Kind wird auch als junger erwachsener Mensch nicht mehr die Selbstbestimmung über die im Internet kursierenden Bilder erlangen können und läuft mit zunehmender Anzahl hochgeladener Fotos und jeder zusätzlichen Information Gefahr, früher oder später Opfer von Cybermobbing oder Cybergrooming zu werden.»

So zeigt eine Studie zu Kinderbildern im Social Web, dass die Kontrolle über die Selbstdarstellung mittels Bildern für eine positive Persönlichkeitsentwicklung zentral ist. Die meisten befragten Kinder geben an, informiert sein zu wollen, wenn ihre Eltern Fotos von ihnen auf soziale Medien hochladen. Der zwölfjährige Andreas störte sich beispielsweise an einem Foto, das ihn zeigt, wie er als Kleinkind zum ersten Mal aufs WC ging.

Sollten Eltern aufgrund der elterlichen Sorge nicht gerade dazu aufgefordert sein, das Hochladen von Kinderfilmen und -bildern zu verhindern, fragt sich Fischer. In diesem Sinne entscheid 2015 ein portugiesisches Obergericht: «Die elterliche Sorge gebiete es, die Veröffentlichung von Kinderfotos zu unterlassen». In der Schweiz gibt es bisher noch kein Urteil in dieser Richtung.

#DeinKindauchnicht: Kampagne gegen Kinderfotos in den sozialen Medien

In diese Richtung zielt auch die im März 2019 lancierte Kampagne #DeinKindauchnicht von der Berliner Journalistin Toyah Deibel ab. Sie möchte auf den Missstand aufmerksam machen, dass Eltern mit den herzigen Schnappschüssen ihrer Kleinen ständig deren Bildrechte verletzen.

Um zu zeigen, wie entwürdigend diese Bilder sind, stellt Diebel die Motive mit Erwachsenen nach. Nackt auf dem WC, an der Brust Muttermilch trinkend. «So ein Bild von dir würdest du nie posten. Dein Kind auch nicht», sagt Deibel.

DeinKindauchnicht-Kampagne von Toyah Diebel
Die #DeinKindauchnicht-Kampagne stellt Fotomotive von Babys in den sozialen Medien nach. © Tanja Baum, Toyah Diebel 

Wer von den Werbeeinnahmen der Kidinfluencer profitiert

Doch die Einkommenschancen bei Erfolg in den sozialen Medien sind gross – und damit auch die Versuchung, es mal zu probieren. Schliesslich ist ein Kind auch teuer und die Familie muss sich finanzieren. Es könnte bei der kommerziellen Vermarktung von Kinderbildern und –filmen argumentiert werden, dass die Publikation im Wohle des Kindes erfolge, weil diese vom Geldsegen zumindest indirekt profitieren, so Fischer. «Ob dieser Gewinn im Falle der konstanten Vermarktung von Youtube-Kinderstars den Verlust der Selbstbestimmung über die Bilder der eigenen Kindheit aufwiegen kann, ist jedoch fraglich.»    

Zudem seien die Eltern als gesetzliche Vertreter ihres Kindes die Vertragspartner der Unternehmen sind. «Diese schliessen mit der Eröffnung eines Accounts mit Wirkung für sich selber ein Rechtsgeschäft ab. Erlauben die Eltern Youtube, Werbeanzeigen in oder neben ihren hochgeladenen Clips zu schalten, werden sie als Vertragspartner an diesen Werbeeinnahmen beteiligt – unabhängig davon, wen oder was sie in ihren Filmen zeigen», sagt die Expertin. «Selbst wenn Kleinkinder als Lockvögel viele Abonnenten bringen, haben diese somit keinen rechtlichen Anspruch auf Entschädigung gegenüber Youtube.»

Allerdings tragen die Eltern die Unterhaltspflicht für ihre Kinder. «Da der Unterhalt nicht nur den Bedürfnissen des Kindes, sondern auch der Lebensstellung und Leistungsfähigkeit der Eltern entsprechen soll, müssen die Eltern ihre Kinder an einer finanziellen Besserstellung durch Youtube-Gewinne teilhaben lassen», so Fischer. Dies erscheine ihr wertungsmässig nur richtig.

Die Praxis: So werden Bildrechte von Babys in der Schweiz gehandhabt

Die Frage, ob Eltern in persönlichkeitsrechtlicher Hinsicht Fotos ihres Babys für Werbung kommerziell nutzen dürfen, werde laut Fischer in der Schweiz unterschiedlich bewertet. Während die einen der Ansicht sind, dass die Eltern in keiner Situation befugt sind, für ihre Kleinkinder eine solche weitreichende Entscheidung zu treffen, gestehen andere den Eltern diese Einwilligungsbefugnis zu, verlangen jedoch, dass bei der Beurteilung des Kindeswohls ein strenger Massstab angewendet wird.

Ein Gericht könnte die Frage, ob ob das Kindeswohl tatsächlich gewahrt ist, in einem konkreten Fall durchaus auch mal verneinen, so Fischer. Das liege im Ermessen des Gerichts, das hier einen gewissen Spielraum habe. Ihres Wissens gebe es bis jetzt in der Schweiz aber noch keine Rechtssprechung zu dem Thema.

Eltern sollten nach Art und Intensität der Werbung abwägen

Die Juristin Nadja Fischer ist selbst zweifache Mutter und unterscheidet bei der Veröffentlichung von Babyfotos zwischen der Art und Intensität der Werbung. Gehe es um die Einwilligung zu einer einmaligen Verwendung des Fotos eines Krabbelkindes für die Werbung eines lokalen Holzspielzeug-Herstellers, sei den Eltern tendenziell eine stellvertretende Einwilligung zu gestatten. «Wenn von Beginn feststeht, dass das Konterfei des Babys nur zeitlich beschränkt mit einer Marke mit begrenzter Reichweite in Verbindung gebracht wird», konkretisiert sie.

«Als problematisch ist jedoch die Entscheidung von Eltern einzustufen, ihr Kleinkind auf Youtube dauerhaft als Werbeträger zu vermarkten und dessen Alltag täglich oder wöchentlich der Öffentlichkeit preiszugeben.» Weil mit der Publikation solcher Filme ein intensiver Eingriff in die Persönlichkeit einhergehe. Zum einen durch das Präsentieren des Privatlebens des Kindes und die unbegrenzte Auffindbarkeit der Bilder im Netz. Daher müsse die Entscheidung den betroffenen Personen vorbehalten sein. «Nach dieser Ansicht ist es den Eltern verwehrt, ihre Kinder als Youtube-Stars zu vermarkten, solange diese nicht selber urteilsfähig sind und allenfalls selber in die Publikation dieser Filme einwilligen, begründet Fischer ihre Meinung.

Kidinfluencer in der Schweiz

Kidfluencer sind Kinder, die andere Nutzer im Netz beeinflussen, egal ob Eltern oder andere Kinder. In der Schweiz ist das Phänomen der Kidsinfluencer noch nicht verbreitet, im Gegensatz zu den USA. «Mir ist kein Fall von Schweizer Kidfluencern bekannt», sagt Nadja Fischer. Auch die Schweizer Website Influencer Check kennt derzeit keine Schweizer Social-Media-Kinderstars.

«Es ist gut möglich, dass auch in der Schweiz Eltern diese Einnahmequelle entdecken», so Fischer. In Deutschland macht zum Beispiel die deutsche Influencerin Bibi den ersten Schritt in diese Richtung. Nach dem Babybauch inszeniert sie sich auch mit ihrem Kind auf dem Arm auf ihrem eigenen Kanal. Allerdings: Das Gesicht des Babys ist bisher nie zu sehen.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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5 Tipps zum sicheren Posten von Babybildern

Die Initiative Schau Hin ist ein Medienratgeber für Familien und stellt viele Tipps und Infos zu aktuellen Entwicklungen im Netz zur Verfügung. Für die Frage, ob Kinderfotos gepostet werden sollten, empfiehlt die Initiative den Eltern, sich selbst fünf Fragen zu stellen:

1. Zeigt es Ihr Kind in einer intimen Situation?

2. Wäre es Ihnen unangenehm, wenn so ein Foto von Ihnen online wäre?

3. Ist Ihr Kind und alle Elternteile mit dem Teilen des Bildes einverstanden?

4. Können Sie Ihrem Kind später gut erklären, warum Sie dieses Foto ins Netz gestellt haben?

5. Haben Sie die Sicherheitseinstellungen überprüft und sind Sie sicher, wer Zugriff hat?

6. Ist Ihnen bewusst, dass andere das Foto ohne Ihre Einwilligung weitergeben, speichern und kopieren könnten?

Am Ende müssen die Eltern selbst entscheiden, ob sie Bilder ihrer Babys posten oder nicht. Die Initiative empfiehlt, gar keine Fotos ins Internet zu stellen. Besser seien ausgedruckte Fotos, Fotobücher und Bilder am Kühlschrank. «Ein echter Blickfang. Ohne Nebenwirkungen!»

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