Jeder sechste Schweizer betroffenSo kann Mann seine Spermienqualität verbessern

Ist das Spermiogramm schlecht, rückt der Kinderwunsch in weite Ferne. Doch Männer können einiges tun, um ihre Spermienqualität zu verbessern. Der Zürcher Arzt Peter Fehr gibt Tipps zum Erklimmen der Fruchtbarkeitsleiter.

Spermienqualität verbessern
Sprosse für Sprosse weiter die Fruchtbarkeitsleiter hinauf. Dafür müssen Männer ihre Spermienqualität verbessern. © Samuel Zeller / Unsplash

Seit Jahrzehnten stellen Forscher fest, dass die Spermienqualität und vor allem die Anzahl von Spermien abnehmen. Eine israelische Auswertung von 7500 Studien aus 187 Ländern zeigt, dass in den vergangenen 38 Jahren die Konzentration von Spermien pro Milliliter Samenflüssigkeit bei Männern aus Europa, Nordamerika, Australien und Neuseeland um durchschnittlich 52,4 Prozent sank. Die Gesamtzahl der Spermien pro Samenerguss sank von 1973 und 2011 sogar um 59,3 Prozent.

Auch der Schweizer Mann ist von dieser Entwicklung betroffen. Wie genau erforschen seit 2005 die Faber-Stiftung in Lausanne und die Universität Genf. Jeder Sechste ist demnach signifikant in seiner Zeugungsfähigkeit eingeschränkt. Auch die Spermienkonzentration lag deutlich unter dem Normallevel, oder es fanden sich wenige bis gar keine Spermien mehr.

Wie die Spermienqualität beurteilt wird

Als normal bei einem Spermiogramm gilt laut der WHO der Wert von 15 Millionen Spermien pro Milliliter Ejakulat. Aber das Spermiogramm gibt auch noch über andere Aspekte Auskunft, die gutes Sperma ausmachen.

«Häufig genügen die WHO-Kriterien zu Zahl, Dichte, Beweglichkeit und Anzahl der normal geformten Spermien nicht», sagt Peter Fehr, Facharzt der OVA IVF Clinic Zürich. Deshalb würden auch Spermien-Antikörper bestimmt, immunologische Fehlreaktionen des Mannes gegen die eigenen Spermien, und die DNA-Fragmentation. Brechen bei den DNA-Doppelsträngen die Verbindungen führe dies, so Fehr, nicht zu genetischen Problemen, aber erhöhe die Wahrscheinlichkeit für Fehlgeburten. Um sicherzugehen, wie es wirklich um die Spermienqualität bestellt ist, empfiehlt er zwei Spermiogramme in einem Abstand von mehreren Wochen.

Welche Medikamente die Samenqualität verbessern

«Im Gegensatz zum Hormonzyklus der Frau sind medikamentöse Behandlungen beim Mann zur Verbesserung der Spermienqualität weniger erfolgreich», sagt Fehr. Trotzdem sollte in bestimmten Situationen auch beim Mann eine medikamentöse Begleitbehandlung in Erwägung gezogen werden, findet der Reproduktionsmediziner. Im Vordergrund stehen die Vitamine C und E, aber auch Selen, Zink und Folsäure. «Damit kann die Qualität der Spermien verbessert werden», so Fehr. «Nebenwirkungen sind sehr selten.»

Bei einer DNA-Fragmentation habe sich eine kurzfristige Behandlung mit dem Wirkstoff Diclofenac bewährt. «Diese Behandlung wird sehr gezielt, zwei Wochen vor einer In-vitro-Fertilisation eingesetzt», betont der Experte.

Homöopathie werden seltener eingesetzt. «Ich empfehle die Traditionelle Chinesische Medizin», sagt Fehr. Männer seien TCM als begleitende Behandlungsmethode jedoch weniger aufgeschlossen als Frauen.

Wie Männer im Alltag ihre Spermien schützen können

Für die globale Abnahme der Zeugungsfähigkeit werden viele Faktoren verantwortlich gemacht. Doch Männer stehen dem nicht machtlos gegenüber. Schon mit einigen kleinen Veränderungen im Alltag können sie ihre Spermienqualität verbessern. «Die Umstellung des Lifestyles ist das Wichtigste», so Fehr.

1. Kühle Hoden bewahren

Der Einfluss der Temperatur auf die Spermienbildung ist seit langem bekannt. «Durch die anatomische Lage der Hoden ausserhalb des Körpers, hat die Natur hier vorgesorgt und die Temperatur um circa ein Grad Celsius reduziert», erklärt Fehr. «Dieser Effekt sollte nicht durch äussere Einflüsse wie enge Hosen oder die Sitzheizung im Auto aufgehoben werden.» Auch häufige Saunabesuche, intensives Sonnenbaden und heisse Bäder sollten besser vermieden werden.

2. Alkoholkonsum reduzieren

Bei Kinderwunsch ist nicht plötzlich jedes Glas Wein tabu. «Aber der Alkohol sollte auf ein vernünftiges Mass reduziert werden», empfiehlt der Gynäkologe.

3. Finger weg von Nikotin und anderen Drogen

Rauchen schadet den Spermien stark und der Gesundheit des Kindes. «Nikotin muss dringend weggelassen werden», betont Fehr. Das Gleiche gilt für Drogen. «Die Einnahme muss selbstverständlich sistiert werden.»

4. Schluss mit Muskelaufbau-Präparaten

Besonders von Unfruchtbarkeit betroffen seien Männer, die ihren Muskelaufbau mit anabolen Steroiden beschleunigen und optimieren. «Das führt unweigerlich dazu, dass nur noch wenige oder nach einer gewissen Zeit gar keine Spermien mehr produziert werden», warnt der Experte. Glücklicherweise sei dies in vielen Fällen reversibel, aber nicht immer.

5. Normalgewicht anstreben

Das Gewicht spielt bei der Zeugungsfähigkeit eine wichtige Rolle. Das gilt nicht nur bei Unter- sondern auch bei Übergewicht. Um das Normalgewicht zu erreichen, sollten sich Männer Zeit lassen und regelmässig Sport treiben. Leistungssport und extreme Diäten haben einen nachteiligen Effekt auf die Spermienqualität.

6. Ernährung umstellen

Eine ausgewogene Vollwertkost ist die beste Kinderwunsch-Diät. Dafür sollten Männer vor allem Zink, Folsäure und Kalzium im Blick behalten. Frisch gekochte Gerichte mit frischem Gemüse sind deutlich besser für die Spermaqualität als Fast Food und viel Fleisch.

7. Stress lass nach

Mehr Gelassenheit und Zufriedenheit im Alltag wirkt sich auch auf die Spermienqualität aus. Etwas Entspannung zwischendurch ist also nicht nur für die Seele, sondern auch die Fruchtbarkeit gut.

8. Mehr über Weichmacher und Co. erfahren

Kunststoffe wie Bisphenol A, Medikamente, Inhaltsstoffe von Kosmetika, aber auch pflanzliche Produkte, Weichmacher und Insektizide: Hormonaktive Stoffe wie diese werden verdächtigt, einen negativen Einfluss auf die männliche Fruchtbarkeit zu haben. Das Nationale Forschungsprogramm NFP 50 untersuchte von 2000 bis 2007 hormonaktive Stoffe und deren Bedeutung für Menschen, Tiere und Ökosysteme. Tausende Stoffe können demnach endokrin aktiv sein.

Forscher der Harvard School of Health konnten zum Beispiel eine Verbindung zwischen dem MBP-Gehalt im Urin und einer verminderten Spermaqualität herstellen. MBP ist ein Abbauprodukt des Weichmachers Dibutylphthalat, DBP.

«Wo die Entwicklung hinführt, ist nicht nicht abzuschätzen», sagt Fehr. «Ein genereller Schutz im Alltag ist schwierig oder fast unmöglich.» Nur wenn ein Mann beruflich den schädlichen Einflüssen ausgesetzt ist, kann er diese Stoffe durch einen Jobwechsel meiden.

Spermienqualität ist nur ein Puzzleteil

Bei einem nicht optimalen Spermiogrammbefund sei es wichtig, auch den Mann in die Kinderwunschbehandung des Paares einzubeziehen, findet Fehr. «Bei den Behandlungsformen sind nur wenig oder gar keine Nebenwirkungen zu erwarten. Aber es braucht Wille und Einsicht.»

Den Paaren hilft, das grosse Ganze im Blick behalten. «Es geht nicht darum, den Spermienbefund zu verbessern. Das Endziel, die Geburt eines Kindes steht über allem», betont der Mediziner.  «Wenn am Schluss der Erfolg da ist, handelt es sich in der Regel immer um ein Mosaik aus vielen Teilen von Mann und Frau.»

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